Erinnerungen by Wilbrandt Adolf von
Autor:Wilbrandt, Adolf von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00
Und wie verzaubert sahn und staunten wir,
Wie sich sein Werkzeug ihm zu Händen schmiegte,
Ein geistgebändigt edles Wundertier,
Das sich mitfühlend seinem Willen fügte;
Dem blöden Aug' ein wohlgebaut Klavier,
Dem Ohr ein Meer, auf dem der Geist sich wiegte,
Wie Brandung donnernd, mit der Windsbraut ringend,
Dann still bewegt, dann silbern süà verklingend.
So versuchte ich es in Versen zu fassen, die ich als Prolog zu dem Rubinstein-Fest schrieb und vortrug, durch das wir Näherstehenden ihm für seine Edeltat zu danken wünschten. Es war ein seiner würdiges Fest, schlicht und schön. Noch schlichter und vielleicht noch herzlicher hatten wir ihn schon in kleinerem Kreise, im Wirtshaus, gefeiert, neben nicht vielen von der Musik ein ganzer Hause vom Burgtheater, ich, der Direktor, mit. Die vom Theater zeigten wieder einmal, daà es ihnen besonders gegeben ist, sich zu begeistern.
Damals entwickelte sich noch ein junges Talent, das später einer von Rubinsteins berufensten Nachfolgern werden sollte: der Italiener Ferruccio Busoni, mir aus seiner Wunderknabenzeit bekannt. Er war noch nicht ganz zehn Jahre alt, als er mit seinem Vater, dem Klarinettisten Busoni, in der Villa Wertheimstein in Döbling erschien, um seine jungen Künste zu zeigen und für sein weiteres Wachsen Anteil und Hilfe zu finden. In höchstes Erstaunen setzte er uns alle, als er am Klavier fremde und eigene Musikstücke spielte; denn der kleine, blasse, aber lebens-und humorvolle Künstler komponierte und dichtete auch, sein Himmel hing voll Geigen. Wunderkinder erregen leicht ein gewisses MiÃtrauen, ja ein MiÃbehagen; Mozarts, dieses Götterlieblings, Fall war ein einziger, hat sich nicht wiederholt. Aus Jung-Ferruccio sprach aber eine so frische, so liebenswürdige Natur, daà man sich gern mit schönen Hoffnungen erfüllte. Noch mehr entzückte und ergriff er uns, als er nach einer Reihe von Monaten (gegen Ende 1876) wiederkam, diesmal von beiden Eltern begleitet; auch von der Mutter hatte er musikalische Begabung geerbt. Er war im Klavierspiel mächtig fortgeschritten; er sang uns aber auch seine rührenden Lieder vor, ohne Stimme, aber voll Ausdruck, voll Seele. Der Minister Unger, selber ein Meister des Klaviers, war nach Tisch gekommen, um das kleine Wunder zu sehn, das er noch nicht kannte. Er neigte gewià nicht zu starken dramatischen Gebärden, aber von der Innigkeit dieses Spiels und dieses Gesangs ward er so bewegt, daà er mit weichen Worten hinzutrat und den Knaben küÃte.
An der Hilfe, deren Ferruccios Werdegang bedurfte, hat es dann nicht gefehlt; die edle, so gern begeisterte, so gern helfende Frau Josephine von Wertheimstein war sein guter Genius. Ein zweiter Mozart freilich ist er nicht geworden; sein Schaffen, das damals so rührend und verheiÃend begann, hat es überhaupt später Frucht getragen? Ich gestehe, ich weià es nicht. Ich hab' aber meine Freude dran â auch für Frau Josephine, die nicht mehr lebt â, daà er einer von den lebendigsten Verkündigern unserer gröÃten Meister geworden ist.
Daà ich auch der Wiener Oper sehr ergeben war und viel verdanke, brauch' ich kaum zu sagen; wenn ich auch wohl in der »absoluten« Musik die tiefste Lust und das vollkommenste Genügen finde. Viele aus der Opernwelt wurden mir auch als Menschen lieb oder
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